Die erfreulichen Dinge vorneweg: Dieser Anlass war für die Schweiz die erfolgreichste EM aller Zeiten! Die Swiss Wushu Federation entsandte die grösste Delegation in der Geschichte des Verbandes an die Europameisterschaften und hatte erstmals seit 2005 wieder Junioren mit dabei, die für einen wahren Medaillenregen sorgten. Betrachtet man die reine Medaillenanzahl, war es die erfolgreichste EM-Kampagne der Verbandsgeschichte. Man sollte jedoch bei der Analyse im Nachgang den Blick für die Realitäten nicht verlieren. Dazu später mehr.

1st European Taijiquan & internal Wushu Styles Championships 2014

Dass die International Wushu Federation 2012 beschlossen hat, künftig eine Taiji-WM durchzuführen, bewog die EWuF dazu, noch vor der IWuF eine Taiji-EM durchzuführen. Dafür gliederte sie Taijiquan aus ihrem Hauptanlass aus und fasste traditionelles und modernes Taijiquan im neuen Anlass zusammen. Dass da in einigen Bereichen noch Steigerungspotential drin liegt, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen. Die IWuF führt z.B. für die Taiji-WM ein neues Reglement ein, welches leider bis dato noch nicht vorliegt. Die EWuF stützte sich deshalb auf das vorhandene Wushu-Reglement. Zudem vereinigte die EWuF alle internen Stile in diesem Wettkampf, also nicht nur Taijiquan, sondern auch Xingyiquan, Baguazhang und Wudang. Dies gab dem Anlass, die Grösse, welche einer Europameisterschaft würdig ist. Nicht überall gleich hoch war allerdings der Level, der an diesen Meisterschaften gezeigt wurde. Offensichtlich scheint, dass Russland, im modernen Wushu eine Grossmacht, bei den inneren Stilen ungleich kleinere Brötchen backt. Auch scheint der Unterschied zwischen inneren und äusseren Stilen nicht überall bekannt zu sein. Das wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahren ändern, aber im Moment, können die westeuropäischen Nationen von diesem Fakt profitieren.  Es gab nebst eher bescheidenen Darbietungen aber auch schöne und beeindruckende Leistungen beispielsweise von den WDP-Leuten aus Deutschland (Ismet Himmet), den holländischen Taiji-Junioren oder den Wudang-Vertretern aus Italien. Aus Schweizer Sicht war das Abschneiden von Kenny Krebs erfreulich, der sich sowohl in der traditional Taijiquan (13 Teilnehmer) als auch in der traditional Taijijian-Kategorie (15 Teilnehmer) durchsetzte und somit zweimal Europameister wurde. Aus Schweizer Sicht war dies ein schöner Erfolg, auch wenn man für die im November stattfindenden Weltmeisterschaften realistisch bleiben muss: Ein Top 10-Resultat wird dort schwierig zu erreichen sein.

15th European Wushu Championships

Die Swiss Wushu Federation reiste mit der grössten Delegation in Bukarest an, seit sie an Welt- oder Europameisterschaften teilnimmt. Dies hat aber auch damit zu tun, dass die EWuF die Erwachsenen- und Junioren-EM seit einigen Jahren an einem gemeinsamen Event ausrichtet.  Nebst der gestandenen Elite, von denen die meisten Athleten schon letztes Jahr an der WM in Malaysia dabei waren, waren diesmal auch A- und B-Junioren dabei. Dies sollte sich auszahlen. Die Junioren brachten mit kleinen Abstrichen ihre Leistungen und trugen einen grossen Teil zum hervorragenden Mannschaftsergebnis bei. Auch die Elite trug mit guten Leistungen viel zum positiven Gesamtergebnis bei, auch wenn es sich hier aufgrund der zum teil grösseren Kategorien als bei den Junioren nicht in der gleichen Anzahl Medaillen niederschlug. Fast schon leid tun konnte einem der Teamleader Sami Ben Mahmoud, der seit Jahren einen unheimlichen Trainingsaufwand leistet, sich regelmässig vor Grossanlässen in China vorbereitet und regelmässig Topleistungen abruft. Trotzdem erreichte er wieder „nur“ zwei  4. Plätze im Nanquan und Nangun. Umso mehr ist ihm die Bronzemedaille in der Kategorie Nandao zu gönnen.  Es ist zu hoffen, dass er dranbleibt und der langersehnte EM-Titel in zwei Jahren doch noch Tatsache wird. Insgesamt kann man so sagen, dass sich die Schweiz gut geschlagen hat, aber auch von günstigen Umständen profitiert hat. Einige Nationen sind nicht mehr in gleichem Mass vertreten, wie noch vor einigen Jahren,  andere konnten z.B. ihre Leistungen nicht in gewohntem Masse abrufen, wie beispielsweise eine Daria Tarasova. Wie sie mir im Gespräch sagte, musste sie in den vergangenen Jahren/Monaten vermehrt als Trainerin arbeiten, und konnte sich deshalb nicht ideal auf diesen Wettkampf vorbereiten. In einigen  Teams wie z.B. bei den Russen und Ukrainern, scheint zudem ein Generationenwechsel im Gang zu sein. Jedenfalls waren die früher stärker und breiter aufgestellt. Gut, dass die Schweiz bereit war, in diese Lücke zu springen.

Fazit

Wir dürfen uns einen kurzen Moment über diese für uns erfolgreichste EM aller Zeiten freuen. Danach sollten wir uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren: die tägliche harte Arbeit im Trainingsraum. Die Erfolge verdanken wir in Teilen der guten Arbeit in den Schulen und im Nationalkader, der Grösse des diesjährigen Teams (mehr Teilnehmer als in den vergangenen Jahren = mehr Chancen), den glücklichen Umständen vor Ort (teils kleine Kategorien, teils Konkurrenz die nicht ganz so stark war wie in anderen Jahren) und dem nötigen Wettkampfglück, das uns in den vergangenen Jahren oft auch gefehlt hat. Schon im nächsten Jahr an der traditionellen EM oder an der WM, bei der auch die starke asiatische Konkurrenz am Start ist, kann das Pendel, die uns dieses Jahr den Erfolg brachte, schon wieder auf die andere Seite schwingen. Wie schnell das geht, sieht man an der diesjährigen Ice Hockey-WM.  War die Schweiz im letzten Jahr erst im Final zu stoppen (WM-Silber), startete sie dieses Jahr mit zwei Niederlagen ins Turnier und konnte sich nicht einmal für die Viertelfinals qualifizieren. Ich wünsche mir, dass wir weiter konzentriert für den Erfolg unserer Athleten arbeiten, auf allen Ebenen des Verbandes und unseren Mitgliedschulen. Nur so werden wir auch in Zukunft wieder Erfolge feiern können.